Mittwoch, 8. April 2020

Jobkrise - Krisenjob

Über einen kuriosen Schlenker habe ich ausgerechnet in dieser Krise einen Job angeboten bekommen, nachdem ich monatelang vergeblich gesucht hatte. Und zwar einen, den es in dieser Form auch nur in diesen Zeiten geben konnte.

Nun unterstütze ich seit etwas über einer Woche einen chinesischen Unternehmer dabei, Gesichts-Schutzmasken an das deutsche Volk zu bringen. Beziehungsweise an dessen Vertreter, wie Herrn Spahn und Kollegen.

Das ist eine Herausforderung, um es milde auszudrücken.

Ich stand - wie wohl wir alle, die täglich die Neuigkeiten zu Corona verfolgen - unter dem Eindruck der Berichte, in denen Klinikchefs, Oberärztinnen, Pflegedienstleiterinnen, Sanitäter und viele andere händeringend nach den Masken verlangten.

Also sollte man meinen, ein  seriöses Angebot würde sehnlichst erwartet. Dem war nicht so. Oder vielleicht doch, aber allein die Kontaktaufnahme war ein Hürdenlauf. Die Tele-Kommunikation ist offenbar überhaupt nicht auf wirkliche Herausforderungen vorbereitet. Nicht einmal, wo man es voraussetzen würde, nämlich beim Gesundheitsministerium. Immerhin erhielt ich von dort die E-Mail-Adresse des Krisenstabs, der wiederum innerhalb 24 Stunden geantwortet hat. In der Antwort stand aber buchstäblich nichts Konkretes, und erst vor ein paar Tagen wurde die Online-Ausschreibung für solche Angebote eingerichtet. Das heißt, alles nochmal von vorn anfangen, nur viel umständlicher und aufwändiger. (Wobei ich selbstverständlich richtig finde, dass auf Regeln und Zertifikationen geachtet wird.)

Ich bin froh, dass dies nicht mein  Job ist,  sondern der meines deutschen Kollegen, der den eigentlichen Vertrieb managt.

Seit ich von seiner Existenz weiß (dazu später), ist meine Tätigkeit nochmals interessanter geworden. Jetzt bin ich die einzige Frau im Bunde. Und - wer hätte das gedacht - nun sind vor allem anderen die Soft Skills gefragt.

Denn die eigentliche Herausforderung ist die interkulturelle Kommunikation. Die nebenbei für Lachanfälle sorgt, wenn ich wieder ein Telefonat mit meinem Boss in China beendet habe. Anfangs waren es Wutanfälle, aber ich habe schnell dazugelernt.

Mein erster Impuls, wenn ich einen Auftrag bekomme, ist ja seit jeher, mich sofort fürs Ganze verantwortlich zu fühlen und mit dem üblichen Perfektionismus alles zu tun, was irgendwie zum Ziel führt. Wahrscheinlich war ich schon als Baby so. Also sitzt das richtig tief. Aber bei diesem Job habe ich gemerkt, wieviel besser ich inzwischen mit diesem inneren Befehl klar komme. Nach kurzer Zeit habe ich entschieden, dass das gar nicht meine Aufgabe ist und ich nur mache, was vereinbart wurde, und wofür ich kompetent bin. Und nicht zuletzt, wofür ich bezahlt werde. Denn ein Managergehalt  wie früher mal bekomme ich natürlich nicht. Allerdings auch keinen Hungerlohn.

Eine Stellenanzeige für meinen Job würde so aussehen:

"Haben Sie Erfahrung in Office Management, Projektplanung und -organisation und sind mit allen modernen IT-Anforderungen vertraut? 

Sind Sie perfekt in mündlicher und schriftlicher Kommunikation auf Deutsch und  Englisch, und können Sie Anrufe und Texte verstehen und übersetzen, deren Englisch rudimentär ist, und deren Inhalte häufig rätselhaft erscheinen? 

Kommen Sie mit einem Vorgesetzten zurecht, der sehr geheimniskrämerisch und misstrauisch ist und Sie stündlich mit wichtigen Neuigkeiten überrascht, wie zum Beispiel Namen von Kollegen, von deren Existenz Sie bisher gar nichts ahnten?

Verfügen Sie über nahezu endlose Geduld, wenn Ihnen jemand Sachverhalte immer noch einmal erklären möchte,  die Sie längst verstanden haben (sagt Ihnen der Begriff Mansplaning etwas?)?

Wären Sie zusätzlich bereit, telefon-seelsorgerische Aufgaben zu übernehmen und dabei zwischen verschiedenen Stakeholdern zu vermitteln?

Dies alles selbstverständlich neben den herkömmlichen Aufgaben, die in Ihrer Position verlangt werden.

Dann würden wir uns freuen, von Ihnen zu hören!"

Wenn alles überstanden ist, werde ich mich für den diplomatischen Dienst bewerben. 






Sonntag, 5. April 2020

Du fehlst

Gerade beim Bügeln habe ich Radio gehört - beides lange nicht mehr gemacht. Bügeln, dabei Musik hören und völlig hemmungslos mitsingen ist ungemein befriedigend, und das hatte ich ganz vergessen.

Dann spielte der Sender Herbert Grönemeyers "Mensch", einen Song, den ich sehr liebe und mit dem ich viele Erinnerungen verbinde.

Seit Corona uns ereilt hat, denke ich mehr als sonst an die Menschen, die mir am Herzen liegen und auch an jene, die nicht mehr da sind.

Immer noch habe ich manchmal den Impuls, meinen Vater anzurufen und zu fragen, ob es ihm gut geht und zu ermahnen, bloß gut auf sich aufzupassen. Mein Vater ist ja schon einige Jahre tot, aber die Erinnerungen sind noch sehr lebendig. Und meine Gedanken gemischt - in gewisser Weise bin ich froh, dass er dies nicht erleben muss. Womöglich in einem Pflegeheim, wo er niemanden sieht, der ihm vertraut ist. Und ich weiß noch gut, dass er zuletzt auch nicht mehr wusste, wie man ein Telefon bedient, also wäre selbst das nicht möglich gewesen. Was für ein Horror! Die Menschen, denen es jetzt so ergeht, tun mir entsetzlich leid. 

Aber bei der Stelle im Lied, wo es heißt "Du fehlst", dachte ich als Erstes an meinen an einem Glyoblastom verstorbenen Freund E., denn der fehlt mir. (Wobei - auch um ihn würde ich mich sorgen, denn er hatte eine sogenannte  Vorbelastung.) 

Seine Beerdigung war eine tieftraurige, freudige und lebensbejahende Feier seines Lebens. So furchtbar es ist, wenn jemand "vor der Zeit" stirbt, so stark war das Gefühl, dass E. so intensiv gelebt hatte, dass es für mehrere Menschenleben ausgereicht hätte.

Aber das ist es nicht, woran ich denke, sondern daran, dass er einer der  Menschen war, die sofort Ideen für Hilfsaktionen hätten und dafür, wie man  gerade jetzt Liebe, Freude und auch Schönheit verbreiten kann. Denn das war sein großes Talent. Er war kein Heiliger, sondern ein Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen, wie Grönemeyer ihn besingt. 

Und weil wir oft zu diesem Lied getanzt und es aus vollem Herzen mitgesungen haben, musste ich vor allem an ihn denken.

Du fehlst, lieber Freund.




Donnerstag, 2. April 2020

Corona, Corona

Nun schreibt sie wieder - außergewöhnliche Lagen zeitigen neue (alte) Gewohnheiten.

Wie uns alle beschäftigt mich die Krise. Wie nicht alle jedoch in besonderer Weise. Aber vielleicht gilt das doch für alle? Jedenfalls ist es so, dass wir Depressiven, Alleinlebenden, Angstgeplagten, Hochsensiblen ... jede und jeder noch zusätzlich mit anderen Dingen zu kämpfen haben als die Normalos.

Wenn ich meine Gedanken unkontrolliert einfach so herumschweifen lasse, schweifen sie in ungute Richtungen. 

So zum  Beispiel:

Solltest Du nicht vielleicht eine kleine Tasche packen, falls es Dich erwischt und Du in die Klinik musst? Oder halt, nein, lieber doch nicht, denn das hieße das Schicksal herausfordern. Wenn die Tasche da wartet, wirst Du sie garantiert brauchen. Oder ist es anders herum? Ist das nicht wie mit dem Schirm, den man vorsichtshalber mitschleppt, damit es nicht regnet? 

Und was, wenn Du hier abkratzt und - weil Dich ja niemand vermisst - Du erst Monate später gefunden wirst, weil es beginnt, aus Deiner Wohnung streng zu riechen? Also vorher einen richtig intensiven Frühjahrsputz machen, damit Du Dich nicht noch aus dem Jenseits schämen musst, wenn es soweit ist.  

Schlimm genug, dass der ganze Mist an Deinem Vermieter hängen bliebe, der hat das wirklich am allerwenigsten verdient. Was kannst Du vorher tun, um ihm möglichst wenig Arbeit zu machen? 

Wäre es sinnvoll, jetzt schon ein Bestattungsinstitut anzurufen?

Und so weiter und immer so weiter.

Da hilft nur laut und deutlich "Stop" sagen und die Gedanken wieder einfangen.

To be continued.